Die Geschichte des Kletterns im Südschwarzwald

 Die klettertechnische Erschließung des Schwarzwaldes begann vor ungefähr 135 Jahren durch den großen Alpinisten und Skipionier Wilhelm Paulcke. Er entdeckte seit 1885 die Battertfelsen bei Baden-Baden für das Klettern. Paulcke fand wohl auch den Weg ins Höllental, denn es gilt als verbürgt, dass der Paulcketurm nahe des Hirschsprunges in den Achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts erstmals bestiegen wurde. Diese Besteigung kann aus heutiger Sicht als die Geburtsstunde des Kletterns im Südschwarzwald angesehen werden. In den folgenden Jahren wurden dann verschiedene Routen an jenem Turm eröffnet. Auch der Falkensteiner Grat und der Freiburger Grat – beide ebenfalls im Höllental - wurden in den Jahren vor 1900 erstbegangen. Noch vor dem ersten Weltkrieg wurden die ersten Routen am Kandelfels und an den Oberrieder Gfällfelsen eröffnet.

In den Zwanziger und Dreißiger Jahren wurde die durch den ersten Weltkrieg unterbrochene Erschließung fortgesetzt. Das Interesse der Kletterer konzentrierte sich weiterhin auf die großen freistehenden Gipfel, Grate und Wände. So wurde durch eine Gruppe um Erich Wagner die höchste Wand des Höllentals, die Hirschsprungwand, erstmals auf zwei Routen bestiegen. 1924 wurde die später durch ihre Unfallträchtigkeit berüchtigte Südwand der Feldseefelsen durch die Seilschaft Wagner-Kubernek erstbegangen. Kubernek verunglückte 1929 bei einem Soloversuch an den Feldseefelsen. Auch die Ersteigung der über 100m hohen Ostwand des Scharfensteins im Münstertal fällt in diese Zeit.

Die Seilschaft Dr. Tauern/ Dr. Baader zählte zu den aktivsten ihrer Zeit: Von ihr stammen z.B. die heute noch beliebten Normalwege am Bauernturm und an der Rhodewand an den Oberrieder Gfällfelsen. Der Studentenweg entstand ebenfalls in diesen Jahren. Der „Wescherclub“ und seine Freiburger Kletterer steuerten viele neue und schwierige Routen bei. Beispielhaft sei die Schleierkante an den Gfällfelsen (Lehmann/Gaiser/Ries 1939) genannt.

Im Schlüchttal wurden um diese Zeit vermutlich die ersten Routen erschlossen, bevor das Gebiet für lange Jahre in einen Dornröschenschlaf verfiel. Erst nach 1970 wurden die meisten Felsen intensiv beklettert. Insbesondere Lorenz Berreth war hier als Erstbegeher sehr aktiv.

Nach der Kletterpause des zweiten Weltkriegs entstanden weitere heute klassische Linien im 5. und 6. Schwierigkeitsgrad. Das Sicherungsmaterial wurde besser, das Hanfseil wurde durch die neuen Kunstfaserseile abgelöst. Dadurch nahmen die tragischen Unglücksfälle durch Seilriss (zum Beispiel Albert Lehmann an den Gfällfelsen) ein Ende.

 

In den Fünfziger Jahren betraten starke Frauen die bis dahin fast ausschließlich männliche Kletterszene. Stellvertretend sei hier Eva Ganter genannt, der wir auch das einzige Bildarchiv aus jener Zeit verdanken.

Teufelskanzel am Kandel

In der sogenannten Eisenzeit der Sechziger und Siebziger Jahre wurden einige der großen Dächer wie zum Beispiel am Kandelfels (V+, A2, heute leider infolge Felssturzes nicht mehr existent) und an den Gfällfelsen (Großes Dach A2) erschlossert bis die Freikletterbewegung auch den Südschwarzwald erreichte. In der Route „Großer Axmann“ erreichte Lutz Scherer 1978 den siebten Grad. Die neuen Sicherungsmittel Klemmkeile, Friends und Bohrhaken brachten ganz neue Möglichkeiten der Routenabsicherung. Viele neue Routen entstanden in der Folgezeit. Die Spitzenkletterer (um Beispiel Helmut Kiene in den Achtzigern, Robert Jasper und andere in den Jahren bis heute) schraubten bei ihren Erstbegehungen das Niveau immer höher. So findet man insbesondere im Schlüchttal einige Routen, die den 10. Schwierigkeitsgrad erreichen.

Viele der kühnen Taten unserer Vorfahren können von uns heutigen Kletterern nicht mehr wiederholt werden. Denn fast alle großen Felsen des Südschwarzwaldes sind heute aus verschiedenen Gründen für den Klettersport tabu: das gesamte Höllental und der Scharfenstein wurden bereits früh wegen der direkt unter ihnen verlaufenden Straßen gesperrt, die Feldseefelsen liegen im Naturschutzgebiet des Feldbergs und die oberen Scheibenfelsen im Zastler Tal wurden im Zuge der Umsetzung des baden-württembergischen Naturschutzgesetzes Anfang der 1990er Jahre gesperrt. Als dieses Gesetz mit seinen massiven Auswirkungen auf den Klettersport in den baden-württembergischen Mittelgebirgen zur Beratung im Landtag anstand, gründeten 1991 Kletterinnen und Kletterer des Südschwarzwaldes wie auch in anderen Klettergebieten Deutschlands die IG Klettern als Organisation zur Vertretung ihrer Interessen. Die Zeiten der Kämpfe um unsere Klettergebiete ist heute (hoffentlich) vorbei und die IG Klettern widmet ihre Energie der Pflege der nach dem Naturschutzgesetz (§24a) für das Klettern freigegebenen Felsgebiete.

In den letzten Jahren wurden diese in vielen Stunden ehrenamtlicher Arbeit durch Kletterinnen und Kletterer der IG Klettern Südschwarzwald, der DAV Sektionen und einiger lokaler Klettervereine auf den heute üblichen Absicherungsstandard gebracht. Die lange Zeit vernachlässigten Zustiegswege wurden repariert und Abseilmöglichkeiten eingerichtet. Doch die Arbeit hört nie auf: Die oft in steilem Gelände verlaufenden Wege müssen regelmäßig unterhalten werden, Felsen verändern sich durch den natürlichen Erosionsprozess und müssen gesichert werden.....